Struktur- und Funktionswandel des Hamburger Hafens seit den 1950er Jahren

Bearbeitung: Dr. Christoph Strupp
strupp@zeitgeschichte-hamburg.de

Forschungslinie: Hamburg seit den 1950er Jahren

Von Seehäfen und Hafenstädten geht eine besondere Faszination aus: Als „Tore zur Welt“ stehen sie konkret für die Mobilität von Menschen und Waren und in einem übertragenen Sinn für Liberalität und Internationalität. Ältere Vorstellungen von Hafenstädten als Orten von Lärm, Schmutz und Kriminalität hat das moderne Stadt-Marketing erfolgreich zurückgedrängt. Die großen Projekte der Stadterneuerung, die unter dem Schlagwort des „Waterfront Redevelopment“ weltweit in vielen Hafenstädten aufgelassene Teile alter Hafenflächen für eine neue Nutzung als Wohn-, Kultur- und Dienstleistungsstandort erschlossen haben, schließen an diese positiven Bezüge an. In Hamburg betrifft dies die 1997 öffentlich vorgestellte und inzwischen zu zwei Dritteln fertiggestellte „HafenCity“ am Nordufer der Elbe und den seit 2017 konkret geplanten neuen Stadtteil „Grasbrook“ auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses.

Fragen nach dem Image von Hafenstädten und ihrer kulturell und architektonisch spektakulären Neuerfindung haben für die Zeit seit den 1950er Jahren auch die Forschung bestimmt. Während für Seehäfen in der Frühen Neuzeit und in ersten Welle der Globalisierung vor dem Ersten Weltkrieg eine Reihe geschichtswissenschaftlicher Studien unter wirtschafts- und politikgeschichtlichen Fragestellungen vorliegen, sind solche Aspekte für die Zwischenkriegszeit und die jüngere und jüngste Zeitgeschichte auch im internationalen Vergleich nur punktuell erforscht. Dabei spiegeln sich in der Geschichte der Häfen zentrale weltwirtschaftliche Entwicklungen der letzten fünfzig Jahre wider: von der schrittweisen Liberalisierung und Deregulierung des Handels über die Neuorientierung von Warenströmen und die Etablierung von „Just-in-time“-Produktionsverfahren bis hin zum Aufschwung und Niedergang von Rohstoffen wie Kohle oder Erdöl, dem „Zug der Industrie zur Küste“ und der verstärkten Globalisierung der Weltwirtschaft seit den 1990er Jahren. Eine zentrale Bedeutung für die Weiterentwicklung des internationalen Handels hatte die Einführung standardisierter Container für den Seegüterverkehr zu, die sich von den USA ausgehend seit Mitte der 1960erJahre international durchsetzten.

Die Strukturen der Seehäfen und die Arbeitsabläufe waren durch den Übergang von Handels- zu Industrie- und Distributionshäfen und die damit einhergehenden Entwicklungen bei Technik und Logistik dramatischen Veränderungen unterworfen. Dieser Prozess weist im Prinzip weltweit ähnliche Merkmale auf, die sich aus der Schlüsselfunktion der Häfen für die transnationalen und transkontinentalen Wirtschaftsbeziehungen ergeben. Die konkreten Ausprägungen, die zeitliche Bestimmung der einzelnen Phasen, die politischen und gesellschaftlichen Kontexte sind dagegen an den jeweiligen Standorten unterschiedlich und können nur durch Einzelfalluntersuchungen näher bestimmt werden.

Eine solche Untersuchung soll nun für Hamburg von den frühen 1950er Jahren bis zur Jahrtausendwende vorgelegt werden. Der Hafen hat in dieser Zeit eine wesentliche Rolle in der Stadtpolitik gespielt. Dabei ging es um Wirtschafts-, Infrastruktur- und Verkehrsfragen im engeren Sinn, aber auch um bundes- und europapolitische Aspekte sowie um Fragen gesamtstädtischer Identität und des städtischen Images. Zeitlich weit zurückreichende Prägungen durch die maritime Tradition und der beschleunigte politische, wirtschaftliche und technologische Wandel überlagerten sich und standen in einem Spannungsverhältnis zueinander. Vor diesem Hintergrund nimmt das Projekt lokale, regionale, europäische und globale Bezüge im Hafen in den Blick und verbindet dabei wirtschafts-, politik- und kulturgeschichtliche Perspektiven in Form von thematisch fokussierten Fallstudien. Inhaltliche Schwerpunkte sind u.a. der Hafen als Triebkraft Hamburger Ost- und Westeuropa-Politik sowie regionaler Kooperationen und Konflikte, stadtnahe und stadtferne Hafenerweiterung im Spannungsfeld von Wirtschafts-, Umwelt- und Anwohnerinteressen, Industrialisierung und Deindustrialisierung sowie die zunehmend gezielte Inszenierung des Hafens als Erlebnisort seit den späten 1970er Jahren. Vergleichbare Studien liegen bisher noch für keine anderen der großen Seehafenstädte vor.

Logo Hamburg Behörde für WissenschaftLogo Hamburg Behörde für WissenschaftLogo Hamburg Behörde für Wissenschaft
Logo L2GoLogo VimeoLogo Twitter
arrow_left_paginationarrow_right_paginationBurger_2pxFZH_Logo_RGB_zentrierticon_downloadkreuz_schließen_2_5pxkreuz_schließen_2pxlink_downloadlink_externLupe_2pxmenuminuspfeil_link_extern_blaupfeil_slider_linkspfeil_slider_rechtsplus