Lebensberatung als Gesellschaftsgeschichte

Walther von Hollander – ein populärer Ratgeber für Ehe, Familie und Sexualität im frühen und mittleren 20. Jahrhundert

Bearbeitung: PD Dr. Lu Seegers
seegers@zeitgeschichte-hamburg.de

Familie, Ehe und Sexualität bezeichneten im Deutschland des 20. Jahrhunderts zentrale Felder gesellschaftlicher, politischer und sozialer Auseinandersetzung. Dabei standen die Diskurse seit dem Ersten Weltkrieg in einem ständigen Spannungsverhältnis zwischen einer angenommenen Krise der Familie, die die Stabilität von Gesellschaft und Nation tangiere und der Wahrnehmung der Familie als Ort persönlicher Glückserfüllung. An diesem Spannungs­verhältnis setzte die seit den 1920er Jahren verbreitete Lebensberatung auf der Basis eines popularisierten Psychowissens an, das Michel Foucault als „Technologien des Selbst“ bezeichnet hat. Diese Psychotechnik versprach eine verbesserte Anpassung des Individuums an die modernen Lebensverhältnisse und suggerierte Machbarkeit, Optimierbarkeit und Effizienzsteigerung in den privat-persönlichen Beziehungen. Zum bekanntesten deutschen Lebensberater avancierte der Publizist Walther von Hollander. Er prägte die Entwicklung und Medialisierung des Genres der Lebensberatung im 20. Jahrhundert entscheidend mit. Seit Mitte der 1920er Jahre vor allem für den Ullstein Verlag tätig, verfasste Hollander auch während der Zeit des Nationalsozialismus Ratgeber für Ehe und Familie sowie Unterhaltungsromane und -filme. Nach 1945 arbeitete er als Lebensberater und Publizist für Presse, Radio und Fernsehen. Besonders populär war seine Radiosendung „Was wollen Sie wissen? Fragen Sie Dr. Walther von Hollander“ ab 1952 im NWDR sowie die inkognito geführte Ratgeberrubrik „Fragen Sie Frau Irene“ der in Hamburg ansässigen Programmzeitschrift Hörzu, die er bis 1971 führte.

Walther von Hollander war über mehr als vier Jahrzehnte Ansprechpartner für Menschen, die Orientierungen und Hilfe für persönliche Probleme suchten. Zugleich fungierte er als Multiplikator normativer Vorstellungen zum Zusammenleben über politische Systemgrenzen hinweg. Auf Grundlage seines umfangreichen Nachlasses wird in dem Forschungsprojekt die Individualbiografie Hollanders erarbeitet im Kontext einer neuen Gesellschaftsgeschichte der Lebensberatung im 20. Jahrhundert beleuchtet.

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