Bearbeitung: Sandra Frühauf, M.A.

Forschungslinie: Jüngere und jüngste Zeitgeschichte

Die „langen“ 1960er Jahre in der Bundesrepublik waren geprägt von politischen, sozialen und wirtschaftlichen Transformationen, die einen Wertewandel und Veränderungen in der Alltags- und politischen Kultur hervorbrachten. Die Umbrüche beschränkten sich jedoch nicht auf den säkularen Bereich, sondern betrafen auch die katholische Kirche. Die Katholik:innen der Bundesrepublik erlebten spätestens in den 1960er Jahren eine Erosion der Milieustrukturen, die zu diversifizierten Gestaltungen des ‚Katholischseins‘ führte, die die Bonner Republik mitprägten. Die zunehmende Infragestellung traditioneller Autoritätsrollen betraf vor allem die exponierte Rolle und Funktion der Priester als altehrwürdige „Hochwürden“. Die Rollenzuschreibungen und -erwartungen sowie das priesterliche Selbstverständnis waren erheblichem Wandel ausgesetzt.

Im Rahmen des Promotionsvorhabens „Priester im Protest. Priester- und Solidaritätsgruppen in der Bundesrepublik Deutschland zwischen sozialer Bewegung und innerkirchlicher Reform im Untersuchungszeitraum von 1965 bis 1989/90“ (Arbeitstitel) wird daher die Rolle, die den Priester- und Solidaritätsgruppen in der westdeutschen katholischen Kirche und gesamtgesellschaftlich bei den Transformationen der 1960er bis 1980er Jahre zukam, untersucht. Die Priester- und Solidaritätsgruppen entstanden ab 1968 in westdeutschen Diözesen, um die reformerischen Ansätze des Zweiten Vatikanischen Konzils umzusetzen und restaurativen Tendenzen entgegenzuwirken. Bis 1970 waren sie in fast jedem Bistum vertreten. Sie widmeten sich zunächst verstärkt innerkirchlichen Problemen und ab 1971 zunehmend politischen und gesellschaftlichen Themen. Ihre Ziele lassen sich mit den Schlagworten Demokratisierung, Humanisierung und Solidarisierung zusammenfassen. Um herauszufinden, mit welchen Protestformen diese Ziele der Priester- und Solidaritätsgruppen umgesetzt werden sollten, werden die theoretischen Analysemittel der „Sozialen Bewegung“ und des „(Anti-)Rituals“ konzeptualisiert.

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