Historische Aufarbeitung des sog. Radikalenerlasses von 1972 in Hamburg

Bearbeitung: Alexandra Jaeger

Forschungslinie: Hamburg seit den 1950er Jahren

Der „Radikalenerlass“ von 1972 war eine der umstrittensten politischen Maßnahmen in der Bundesrepublik der 1970er Jahre. Mit dem Beschluss von Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) und den Ministerpräsidenten der Länder sollte der „Marsch durch die Institutionen“ (Rudi Dutschke) vermeintlich Linksradikaler verhindert werden. Damit waren jene „68er“ gemeint, die in den 1970er Jahren in kommunistische Parteien und Organisationen eingetreten waren. Mit der Regelanfrage beim Verfassungsschutz wurden alle Bewerbern und Bewerberinnen für den öffentlichen Dienst überprüft. In Hamburg gab es zwischen 1971 und 1978 etwa 100.000 Anfragen, etwa 90 Personen – meist Lehrerinnen und Lehrer – wurden abgelehnt oder entlassen. Während staatliche Akteure dies als Schutz der wehrhaften Demokratie vor „Verfassungsfeinden“ von links und rechts ansahen, sprachen Kritikerinnen und Kritiker von „Berufsverboten“ und „Verfassungsbruch“.

Die Auseinandersetzungen über den „Radikalenerlass“ verweisen auf die gesellschaftlichen Umbruchsprozesse in der Bundesrepublik: Vorstellungen von Staatlichkeit und dem Umgang mit Andersdenkenden veränderten sich im Laufe der 1970er Jahre – zumindest in Teilen der Gesellschaft. War 1971 der Hamburger Senat noch Vorreiter des Vorgehens gegen „Radikale im öffentlichen Dienst“, setzte sich 1978 der Hamburger Erste Bürgermeister Hans-Ulrich Klose (SPD) unter dem Motto „Mehr Toleranz wagen“ für einen liberaleren Umgang mit Kommunistinnen und Kommunisten ein. 1979 schaffte der Hamburger Senat die Regelfrage weitgehend ab und stellte viele ehemals Betroffene ein.

2018 hat die Hamburgische Bürgerschaft beschlossen, „die in Hamburg auf der Grundlage des Radikalenerlasses vom 28. Januar 1972 erteilten Berufsverbote und deren Folgen für die betroffenen Hamburgerinnen und Hamburger in einem historisch angemessenem Kontext wissenschaftlich aufarbeiten zu lassen und zum Beispiel im Rahmen einer Ausstellung über die Ergebnisse und historischen Hintergründe zu informieren.“ (Drucksache 21/13844) Im Auftrag des Personalamts des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg übernimmt die Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg die Aufgabe der wissenschaftlichen Aufarbeitung. Zum einen bietet die Monografie Auf der Suche nach „Verfassungsfeinden“. Der Radikalenbeschluss in Hamburg 1971-1987 eine umfassende wissenschaftliche Analyse der Umsetzung des „Radikalenerlasses“ in Hamburg. Zum anderen werden die Ergebnisse im Rahmen einer Ausstellung in der Diele des Hamburger Rathauses vom 16.4. bis 7.5.2020 einer breiten Öffentlichkeit präsentiert.

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