Fundstück #5

Die nach 1945 aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten Geflüchteten – zeitgenössisch die "Heimatvertriebenen" – spielten in der politischen Kultur der frühen Bundesrepublik eine sehr wichtige Rolle. Von der lokalen Bevölkerung zunächst keineswegs begrüßt, waren sie ein bedeutendes Wählerpotenzial, das alle Parteien adressierten. Diese Bevölkerungsgruppe war in der Öffentlichkeit sehr präsent und diente als Projektionsfläche – sie galt in der frühen Bundesrepublik durchaus als das deutsche Opferkollektiv. Ein reflektierter Blick auf das Thema Flucht und Vertreibung, der auch Ursache und Wirkung nicht verschwieg, setzte sich erst später durch.

In den ersten Jahrzehnten gab es eine rege publizistische Tätigkeit, teils durch halboffizielle Organisationen wie das „Kuratorium Unteilbares Deutschland“, aber auch von revisionistischen Autoren wie dem Publizisten Peter Aurich. Die Bücher sollten bei der westdeutschen Bevölkerung Verbundenheit mit dem sogenannten „deutschen Osten“ erzeugen und festigen. Die Bibliothek der FZH verfügt dank vieler Spenden über einen interessanten Querschnitt an solchen Publikationen. In ihnen lesen wir von der „deutschen Kraft“, wodurch die östliche Landschaft der „Kultur erschlossen worden“ sei (Aurich). Dichtung, Kunst, Philosophie werden aufgerufen. Der Beitrag des „deutschen Ostens“ zur deutschen Wirtschaftskraft vor 1945 wird aufgezeigt (Ostdeutschland in Zahlen).

Insgesamt lässt sich eine eindeutige Tendenz ablesen: Die Gebiete östlich von Oder-Neiße gehörten weiterhin zu Deutschland und sollten nicht preisgegeben werden. Mit der Entspannungspolitik und der neuen Ostpolitik insbesondere Willy Brandts änderte sich diese gesellschaftliche Grundhaltung. Völkerrechtlich verzichtete Deutschland 1990 endgültig auf die ehemaligen Ostgebiete. Die Publikationen dokumentieren dieses Stück Zeitgeschichte aus den Gründerjahren der Bundesrepublik.

(Hartmut Finkeldey)