Literatur zum Ersten Weltkrieg ist in der Bibliothek der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg umfangreich vertreten. Als die Bibliothek aufgebaut wurde – ab den 1960er Jahren –, galt der Erste Weltkrieg noch als Zeitgeschichte. Auch heutige zeitgeschichtliche Deutungen des „kurzen zwanzigsten Jahrhunderts“ (Eric Hobsbawm) kommen nicht umhin, den Ersten Weltkrieg umfangreich in ihre Analysen einzubeziehen. Die Debatte um Christopher Clarkes Schlafwandler (2012, deutsche Übersetzung: 2013) vor einigen Jahren zeigt seine ungebrochene Aktualität.
Die Bibliothek der FZH bemüht sich nicht nur, alle grundlegenden neuen Forschungsansätze zum Ersten Weltkrieg in repräsentativer Auswahl zu sammeln. Sie verfügt auch über zeitgenössisches Material: Zeitungen, Zeitschriften, Broschüren und Reden. Exemplarisch für die Fülle an Kriegsliteratur steht der Ostdeutsche Kriegsalmanach 1916, im Xenien Verlag vom Verleger Rudolf Herbert Kaemmerer herausgegeben. Es handelt sich um eine damals nicht eben seltene Sammlung von Essays, Erzählungen, Berichten und Gedichten – wobei sich der Almanach auf die damaligen Ostprovinzen fokussiert. Einige damals bekannte Schriftsteller und Intellektuelle sind vertreten: Carl Hauptmann (Gerhard Hauptmanns Bruder), Alfred Kerr, Carl Busse, Oscar Bie und Max Halbe. Auch die damals nicht ungewöhnliche Kriegslyrik eines Soldaten ist abgedruckt und im Inhaltsverzeichnis sogar hervorgehoben: Von Walter Heymann, „gefallen in der Nacht vom 8. auf den 9. Januar 1915 bei einem Sturmangriff vor Soissons“, finden sich drei Gedichte. Eines davon erklärt den sogenannten Heldentod für „sanft“.
Besonders interessant sind die wenigen Beiträge, die in einer solchen Publikation eher nicht zu erwarten sind. So findet sich darin ein kleines Kant-Zitat als Referenz an den Königsberger Philosophen, mitnichten hingegen slawenfeindliche Äußerungen Kants, die man etwa in der ‚Anthropologie‘ hätte finden können. Zitiert wird vielmehr Kants Absage an den totalen bzw. „Ausrottungskrieg“ aus seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“. Eine der Bildbeilagen stammt zudem von Käthe Kollwitz. Ihre Zeichnung zeigt zwei gramgebeugte Menschen – Frau und Mann –, die ein lebloses Kind, offenbar das eigene, tragen. Kollwitz‘ Sohn Peter war bereits im Herbst 1914 gefallen.
(Hartmut Finkeldey)