Einladungen in die alte Heimat. Besuchsprogramme deutscher Großstädte für Verfolgte des Nationalsozialismus

Bearbeitung: Lina Nikou M.A. (Betreuung: Prof. Dr. Axel Schildt)

Forschungslinie: Der Nationalsozialismus und seine „zweite Geschichte“

Fünfzehn Jahre nach Kriegsende und der Befreiung der Konzentrationslager beschloss München, einstige Bürgerinnen und Bürger, die auf Grund „ihres jüdischen Glaubens oder ihrer Rasse“ in der NS-Zeit verfolgt worden waren und im Ausland lebten, in ihre „alte Heimatstadt“ einzuladen. Ab 1961 sprach München als erste Stadt in der Bundesrepublik Einladungen an ehemalige Verfolgte im Ausland aus. Zu diesem Zweck veröffentlichte die Bayerische Hauptstadt weltweit Aufrufe in deutschsprachigen jüdischen Emigrantenzeitschriften und erhielt daraufhin innerhalb weniger Jahre über 500 Zuschriften von ehemaligen Münchnern aus der ganzen Welt.

Schon bald wandten sich andere westdeutsche Stadtregierungen an München, weil Emigranten sie auf die dortige Initiative aufmerksam gemacht hatten und nun ebenfalls eine Einladung wünschten. Einige folgten dem Münchener Beispiel. So erfasste eine Umfrage des Deutschen Städtetags 1970 17 Städte, die einluden oder Einladungen planten, und zehn Jahre später wurden bereits 34 Einladungsprogramme gemeldet. Die meisten Initiativen entstanden aber in den 1980er und 1990er Jahren. 2006 zählte eine Umfrage weit über 300 Initiativen. Die Einladungen meist jüdischer Emigranten waren damit ein deutschlandweites Phänomen.

Am Beispiel der Besuchsprogramme der vier Großstädte München, (West)Berlin, Frankfurt am Main und Hamburg vergleiche ich in meiner Dissertation die Entwicklungen der Einladungsinitiativen von den Anfängen in den 1960er Jahre bis Ende der 1990er Jahre. Damit gehe ich den Unterschieden und Gemeinsamkeiten lokaler Erinnerungskulturen nach. Das Projekt setzt sich aus drei Aspekten zusammen, die an Hand der vier Beispielstädte miteinander verglichen bzw. in Beziehung gesetzt werden: Erstens untersuche ich den städtischen Umgang mit und die Entwicklung der Einladungsprogramme, zweitens die Interaktion zwischen den Städten und einstigen Bürgerinnen und Bürgern und drittens die Rezeption der Programme durch die Eingeladenen. Letzteres wird vor allem hinsichtlich der Wahrnehmung der Programme in den USA und Israel untersucht.

Die vergleichend angelegte Studie schließt mehrere Forschungslücken, denn eine wissenschaftliche Analyse der Einladungsinitiativen steht noch aus. Dies erstaunt, da die städtischen Einladungen von NS-Verfolgten besonders in Großstädten viele Jahre einen wichtigen Bestandteil der Erinnerungskulturen bildeten. Lokalstudien zum Umgang deutscher Städte mit der NS-Vergangenheit liegen zwar vor, vergleichend sind lokal- und erinnerungspolitische Auseinandersetzungen mit der Zeit des Nationalsozialismus bisher allerdings nur vereinzelt erforscht worden. Am Beispiel der Einladungsinitiativen betrachte ich nun den differierenden städtischen Umgang mit der gleichen Idee über einen Zeitraum von mehreren Jahrenzehnten. Wenig erforscht sind bislang ferner Beziehungen jüdischer Emigranten nach Deutschland sowie Interaktionen zwischen Deutschen und Überlebenden im Ausland. Die Untersuchung der Korrespondenzen zwischen Organisatoren der Programme und Verfolgten bietet die einzigartige Möglichkeit, diesen schwer greifbaren Bereich der Beziehungen und Annährungen exemplarisch zu analysieren.

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