Deportationsort Hannoverscher Bahnhof

Koordination: Dr. Linde Apel
apel@zeitgeschichte-hamburg.de

Forschungslinie: Der Nationalsozialismus und seine „zweite Geschichte“

Seit 2004 beschäftigen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der FZH unter ereignisgeschichtlichen, bau- und architekturhistorischen sowie erinnerungskulturellen Fragestellungen mit jenem Ort, der gegenwärtig als Symbol der Deportationen von Juden, Roma und Sinti aus Hamburg und Norddeutschland während des NS-Regimes gilt: dem ehemaligen Hannoverschen Bahnhof, dessen Überreste sich in der heutigen Hafencity befinden. Die Recherchen umfassen einen Zeitraum von weit über 100 Jahren, beginnend 1872, als der Bahnhof in Betrieb genommen wurde und u.a. als Aus- und Rückwandererbahnhof für polnische und russische Juden diente. Sie konzentrieren sich auf die Jahre 1940 bis 1945, als 20 Deportationstransporte die Stadt verließen und schließen den einstmals nahegelegenen, seit langem nicht mehr existenten Fruchtschuppen, der von der Kriminalpolizei als Sammellager für Sinti und Roma vor ihrer Deportation genutzt wurde, in die Untersuchung der Hamburger Deportationstopographie mit ein. Dabei lassen sie die Nachgeschichte der Deportationen, die lange von Achtlosigkeit gegenüber Opfern und Überlebenden und Desinteresse gegenüber Tätern und Mitläufern geprägt war, und den heutigen Umgang mit dem Gelände und den baulichen Relikten nicht außer Acht.

Linde Apel und Frank Bajohr erstellten 2004 für die Hamburger Kulturbehörde ein Gutachten über Die Deportationen von Juden sowie Sinti und Roma vom Hannoverschen Bahnhof in Hamburg 1940-1945. Der Anlass war die geplante Bebauung des Geländes im Rahmen des Masterplans der Hafencity. Das Gutachten wurde ohne den umfangreichen Dokumentenanhang im Jahresbericht 2004 der FZH veröffentlicht und kann hier nachgelesen werden. Die Ergebnisse des Gutachtens veranlassten die Kulturbehörde im Februar 2005 eine Gedenktafel auf dem Lohseplatz, dem ehemaligen Bahnhofsvorplatz, zu errichten und die FZH mit der Erarbeitung einer Ausstellung über die Deportationen aus Hamburg zu beauftragen.

Zwischen 2007 und 2009 betraute die Kulturbehörde die FZH mit vier weiteren (bau)-geschichtlichen Gutachten, die von Ulrich Prehn und Sylvia Necker bearbeitet wurden. Die Gutachten sind in der Bibliothek der FZH einzusehen. Insbesondere die von Ulrich Prehn recherchierten Hinweise auf Überreste jenes Bahnsteigs, von dem der erste Transport jüdischer Hamburgerinnen und Hamburger im Oktober 1941 die Stadt ins Ghetto Litzmannstadt verlassen hatte, führten dazu, das Gelände unter Denkmalschutz zu stellen und die Bebauung der Hafencity zu modifizieren. 2008 erging die Entscheidung, ein Dokumentations- und Informationszentrum sowie einen Gedenkort im geplanten Lohsepark einzurichten.

Die von Linde Apel konzipierte Ausstellung „In den Tod geschickt. Die Deportationen von Juden, Roma und Sinti aus Hamburg 1940-1945“ war 2009 im Kunsthaus Hamburg sowie 2013 auf dem Lohseplatz, dem ehemaligen Bahnhofsvorplatz, zu sehen. Im Zentrum der Darstellung standen das Schicksal deportierten Juden sowie der Sinti und Roma, die Verantwortung der Täter und die Rolle der schweigenden Mehrheit. Mit dem Fokus auf beide verfolgten Opfergruppen stellt diese Ausstellung nach wie vor eine Ausnahme dar.

Von Oktober 2011 bis Juni 2012 führte die KZ-Gedenkstätte Neuengamme und der Landesjugendring Hamburg ein Beteiligungsprojekt unter dem Titel „Wie wollt ihr euch erinnern?“ durch, in dem Jugendliche nach ihnen gemäßen Formen des Gedenkens suchten. Linde Apel wirkte daran als Beraterin mit. 2013 konzipierten Linde Apel und Kristina Vagt eine Kurzfassung der Deportationsausstellung von 2009, die seit September 2013 im Infopavillon „Gedenkort Hannoverscher Bahnhof“ zu sehen ist. Der auf dem Lohseplatz stehende Infopavillon gibt darüber hinaus Aufschluss über die Planungen für ein Informations- und Dokumentationszentrum und einen Gedenkort sowie über die Ergebnisse des Beteiligungsprojekts der Jugendlichen. Er dient als Interimslösung bis zur Eröffnung des Informations- und Dokumentationszentrums, dem die Deportationsausstellung von 2009 zugrunde liegen soll.

2014 konnte die Kulturbehörde, einer Empfehlung von Linde Apel folgend, den Hamburger Architekt und Historiker Andreas Ehresmann dafür gewinnen, die seit dem Abriss von Gewerbebauten freiliegenden Fundamente und baulichen Überreste des Hannoverschen Bahnhofs zu dokumentieren. 2015 entstanden in Kooperation mit der Körber-Stiftung, der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Landesinstitut für Lehrerbildung Materialien für die schulische und außerschulische Bildung zum Thema „Entrechtung, Widerstand, Deportationen 1933 – 1945 und die Zukunft der Erinnerung in Hamburg“. Die HafenCity Hamburg GmbH in Kooperation mit der Kulturbehörde sowie der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen entschied sich nach einem Architektenwettbewerb für das Büro Wandel Lorch Architekten, die das Gebäude als Ausstellungs- und Veranstaltungsort und als Bürogebäude realisieren werden. 2016 entschied eine Jury über die Gestaltung der geplanten Dauerausstellung im Dokumentationszentrum.
Der Gedenkort im Lohsepark „denk.mal Hannoverscher Bahnhof“ wurde am 10. Mai 2017 eröffnet. Die ursprünglich 2013 geplante Eröffnung des Dokumentationszentrums wurde bisher mehrfach verschoben und ist derzeit im Jahr 2026 vorgesehen.

Weitere Informationen unter hannoverscher-bahnhof.hamburg.de

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