Bearbeitung: PD Dr. Yvonne Robel
robel@zeitgeschichte-hamburg.de

Forschungslinie: Jüngere und jüngste Zeitgeschichte

Das aktuelle Interesse an Praktiken des Nichtstuns boomt. Managerratgeber erklären uns, warum Nichtstun eine hohe Kunst ist. Internetseiten erläutern, wie Müßiggang geht. Bücher preisen die Vorzüge von Faulheit. Das 2015 gestartete Habilitationsprojekt nimmt diese Beobachtung zum Ausgangspunkt, um nach Kontinuitäten und Wandlungsprozessen in der öffentlichen Wahrnehmung von Muße, Faulheit, Müßiggang und Nichtstun zwischen den 1950er und 2010er Jahren zu fragen. Gezeigt werden soll, dass sich Menschen im Sprechen über Phänomene des Nichtstuns nicht nur über ihr Verhältnis zu Arbeit und Zeit verständigen, sondern auch über Ideen vom menschlichen Zusammenleben, über Zukunftsvorstellungen, über Eigen- und Fremdzuschreibungen sowie über ihren Bezug zu Wohlstand und Konsum.

Das gegenwärtige Interesse an Praktiken des Nichtstuns wird in der Forschung oft, gleichsam nebenher, mit einem in den 1970er Jahren einsetzenden Wertewandel der Arbeit erklärt. Doch trägt diese Erklärung im historischen Rückblick? Lässt sich im gesellschaftlichen Umgang mit Muße, Faulheit, Müßiggang und Nichtstun tatsächlich ein Bruch in dieser Zeit beobachten? Aus einer kultur- und diskursgeschichtlichen Perspektive widmet sich das Projekt der Frage, wie sich auf das Nichtstun gerichtete Sehnsüchte, Ängste und Selbstermächtigungen zu dem für die 1970er Jahre konstatierten gesellschaftlichen Wandel und zu einer Geschichte der bundesdeutschen Liberalisierung verhalten.

Die Habilitationsschrift wird aktuell für die Drucklegung vorbereitet und wird voraussichtlich 2024 erscheinen.