Lost in transition? Die Konstruktion von Stadtbildern seit den 1970er Jahren in der Mittelstadt Gütersloh

Bearbeitung: Joana Gelhart, M.Ed.
gelhart@zeitgeschichte-hamburg.de

Forschungslinie: Jüngere und jüngste Zeitgeschichte

In Stadtbildern kondensiert sich das vermeintlich Besondere, Unverwechselbare einer Stadt. Wie aber werden sie konstruiert, ausgehandelt und rezipiert? Dieser Frage geht das Promotionsprojekt am Beispiel der Stadt Gütersloh nach und richtet den Blick dabei von der Gegenwart bis zurück in die 1970er Jahre. Dieser Zeitraum erscheint gerade für eine historische Untersuchung aussagekräftig, prägten doch seit den 1960er Jahren umfassende Transformationsprozesse, die schlagwortartig mit Demokratisierung, Globalisierung, Digitalisierung und Pluralisierung überschrieben lassen, auch die Stadt nachhaltig: Auf dem Weg zur „Gesellschaft der Singularitäten“ (Andreas Reckwitz) wurden bis dahin geltende Gewissheiten über urbane Gemeinschaft und Identität zusehends brüchig. Zugleich beförderten eben jene Prozesse im Zuge zunehmender Städtekonkurrenzen den Zwang zur städtischen Individualisierung und Repräsentation.

Dies gilt auch für das ostwestfälische Gütersloh, dessen rasante Entwicklung von einer dörflich anmutenden Mittel- hin zu einer wirtschaftsstarken Großstadt mit globalen Bezügen in den 1970er Jahren an Fahrt gewann. Dieser Wandel steht nicht nur im Gegensatz zu gängigen Krisennarrativen („nach dem Boom“). Vielmehr löste er in der Stadt intensive Suchbewegungen nach städtischer Identität und Außendarstellung aus. Mit Gütersloh steht eine Mittelstadt im Zentrum der Untersuchung, die – gemessen an ihren gesamtdeutschen Einwohnerzahlen – eine vernachlässigte Größe in der Geschichtswissenschaft darstellt. Im Vergleich zu Metropolen verfügen sie in der Regel nur über begrenzte Ressourcen städtischer Repräsentation, wie eine attraktive Innenstadt, kulturelle Einrichtungen oder historische Relikte – und bleiben damit gleich in mehreren Hinsichten „off the map“ (Jennifer Robinson).

Die Bündelung allgemeiner und stadtspezifischer Umbrüche prädestinieren Gütersloh für die Untersuchung von Formen der Repräsentation, Inszenierung und Vergesellschaftung in einer sich wandelnden Stadtöffentlichkeit. Konzeptualisiert werden diese Formen mithilfe des Stadtbild-Begriffs nach Martina Löw, das sowohl nach innen eine integrierende als auch nach außen eine werbende Funktion erfüllt, die sich an Besucher*innen, (noch) nicht ansässige Unternehmen und Arbeitskräfte wendet. Daran schließen sich Fragen nach Konstrukteur*innen und der Verteilung von Deutungsmacht an: Blieb die Arbeit am Stadtbild ein Elitenprojekt oder erlaubten Demokratisierungs- und Liberalisierungsprozesse, kommunale Praktiken der Bürgerbeteiligung sowie der Medienwandel Partizipation verschiedener städtischer Gruppen? Die Vorstellung von Stadt als abgeschlossener Kosmos wird dabei zugunsten einer Betrachtung aufgegeben, die den vielfältigen Verflechtungen auf kommunaler, regionaler und bundesweiter Ebene nachspürt. Neben archiviertem Schrift-, Bild- und Tonmaterial bilden auch digitale Darstellungen seit der Jahrtausendwende, wie städtische Websites und Informationskanäle, das empirische Fundament der Arbeit. Das Projekt sucht darüber hinaus die Zusammenarbeit mit der Stadtgesellschaft, um Perspektiven, Wahrnehmungen und Erfahrungen der Bürger*innen zu berücksichtigen. Dazu werden Interviews geführt und Zugänge zu (privaten) nicht-archivierten Quellen gesucht.

"Schmutz existiert nicht einfach so" – Das Projekt findet Erwährung im Podcast "Regionalgeschichte auf die Ohren" und lässt sich hier nachhören.

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