Bundesarchiv, B 145 Bild-F038498-0010, Frauen am Fließband einer Zwiebackfabrik, Hagen 1972. Foto: Ulrich Wienke.

Georg Ehlers (Alias)

"Dann hab ich geguckt, passt die an meine Bänder?" Anwerbung türkischer "Gastarbeiterinnen", 1971

Georg Ehlers wurde 1934 in Altona geboren. Ab 1953, nach der Schule und Lehre, arbeitete er als Buchhalter, später als Betriebsleiter, in der Lebensmittelfabrik seines Onkels in Dithmarschen. 1970 wechselte er – ebenfalls als Betriebsleiter – in eine Hamburger Konservenfabrik. Dort war er zuständig für die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte.

1971 fuhr er erstmals in die Türkei, um in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt in Istanbul "Gastarbeiterinnen" für die Konservenfabrik zu gewinnen. Nach dem Anwerbestopp 1973 unternahm er Rekrutierungsfahrten nach Sizilien. Ab 1978 warb er auch Griechinnen und Iren an. Insgesamt waren in der Fabrik Arbeitskräfte aus 17 Nationen tätig.

Seit 1997 ist Georg Ehlers im Ruhestand.

 

Historischer Kontext

Das "Gastarbeiter"-System

Mit der boomenden Wirtschaft ab Mitte der 1950er Jahre war Deutschland auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen, um den hohen Arbeitskräftebedarf zu decken. Von 1955 bis 1973 schloss die Bundesrepublik deshalb 120 sogenannte "Anwerbeverträge" mit süd- und südosteuropäischen Staaten, so auch mit der Türkei (1961). Deutschland erhielt dadurch Zugang zum türkischen Arbeitsmarkt. Die Türkei konnte im Gegenzug bei der Zusammensetzung der Abwandernden mitreden und Einfluss auf deren Lebensbedingungen in Deutschland nehmen. Auf der Basis des Anwerbeabkommens rekrutierten westdeutsche Wirtschaftsunternehmen in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Arbeit und Arbeitslosenversicherung sowie der Deutschen Verbindungsstelle in Istanbul, die für die Vermittlung zuständig war, türkische "GastarbeiterInnen". Die angeworbenen Arbeitskräfte - zu einem großen Teil Frauen - übernahmen in der Regel ungelernte Tätigkeiten in der industriellen Produktion [1]. Bis in die 1970er Jahre waren die Arbeitgeber für die Unterbringung der ausländischen Arbeitskräfte zuständig. Diese wurden - wie auch im Interview mit Georg Ehlers zu hören ist - in Massenunterkünften, Wohnheimen und Baracken untergebracht [2]. Die "GastarbeiterInnen" sollten nur temporär in der Bundesrepublik bleiben. Eine Integration in die deutsche Gesellschaft war von politischer Seite nicht beabsichtigt. Die Vorstellung, die Arbeitsmigration auf diese Weise steuern zu können, erwies sich jedoch als Illusion. Der nach der Ölkrise 1973 beschlossene "Anwerbestopp" führte nicht wie geplant zu einer Abnahme der Zuwanderung. Viele der angeworbenen Arbeitskräfte blieben in Deutschland und nutzten die Möglichkeit des Familiennachzuges, um ihre Angehörigen nachzuholen [3].

 

 

[1] Jochen Oltmer: Einführung. Migrationsverhältnisse und Migrationsregime nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Ders. u.a. "Das Gastarbeiter"-System. Arbeitsmigration und ihre Folgen in der Bundesrepublik Deutschland und Westeuropa. München 2012, S. 9-25, hier: 9-12. Monika Mattes: "Gastarbeiterinnen" in der Bundesrepublik. Anwerbepolitik, Migration und Geschlecht in den 50er bis 70er Jahren. Frankfurt/Main, New York 2005, S. 44-45.
[2] Deutsches Historisches Museum: "Gastarbeiter" in der Bundesrepublik, 2006.
[3] Vgl. Anmerkung 1. Zum Familiennachzug, vgl. auch das Interview mit Huriye Bozkurt.

Georg Ehlers erzählt

  • Rekrutierung von Arbeitskräften in Istanbul
Quellennachweis

Archiv: Werkstatt der Erinnerung an der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg
Signatur: FZH/WdE 1901
Interviewerin: Jessica Leffers
Interviewtermin: 27.09.2012
Interviewlänge: 2 Std. 18 Min.
Forschungsprojekt: Projekt von Jessica Leffers (Werkstatt der Erinnerung) zum Thema Arbeitsmigration nach Hamburg.
Sammlungsschwerpunkt: Migration nach Hamburg / Gastarbeiter

Bilder:
Bilder Überblickseite und Interview: Bundesarchiv, B 145 Bild-F041705-0011, Italienische „Gastarbeiter“ am Hauptbahnhof, Köln 1973. Foto: Ludwig Wegmann.
Bild Oben: Bundesarchiv, B 145 Bild-F038498-0010, Frauen am Fließband einer Zwiebackfabrik, Hagen 1972. Foto: Ulrich Wienke.

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