Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Im Bestand der FZH-Bibliothek finden sich zahlreiche Publikationen zum Kriegsende 1945, von denen wir hier zwei besondere Exemplare präsentieren.
Das Jahr 1945 ist ohne 1933 nicht denkbar und so stellen wir zunächst eine Publikation aus dem Jahr der Machtübernahme Hitlers vor. Hierbei handelt es sich um das von Wilhelm Schüßler im Insel Verlag herausgegebene „Bismarck-Brevier“. Die FZH-Bibliothek verfügt über ein besonders Exemplar des „Bismarck-Brevier“: ein unveränderter Nachdruck von 1942 als Feldpostausgabe. Der Insel Verlag war eine der wichtigsten Verlage des liberalen, literatur- und kunstaffinen deutschen Bürgertums im ersten Drittel des Jahrhunderts, doch mit Publikationen wie dieser hat er sich der „neuen Zeit“ sehr schnell angepasst.
Der Herausgeber des „Bismarck-Brevier“ Wilhelm Schüßler war ein konservativer Zeithistoriker und Bismarckexperte. Ab 1935 gehörte er dem Sachverständigenbeirat des „Reichsinstituts für die Geschichte des neuen Deutschlands“ an und schrieb 1941 einen weit verbreiteten Essay, der den Angriffskrieg auf die Sowjetunion verteidigte. Schüßlers kurzes Vorwort im „Bismarck-Brevier“ spricht Bände: Das für das konservative Bürgertum identitätsstiftende Bild eines „realistischen“ Machtpolitikers, der mit „Blut und Eisen“ Deutschland geeint habe, wird hier reetabliert und transformiert. Das nationalsozialistische Deutschland stehe in der Tradition Bismarcks gegen die Republik. Man fühlt sich an Hannah Arendt erinnert: So sprach sie in einem Interview darüber, dass sie 1933 nicht über das Verhalten ihrer Feinde bestürzt gewesen sei, denn das war zu erwarten, sondern über das ihrer Freunde – die übereifrige Selbstgleichschaltung des Bildungsbürgertums (vgl. Arendt, Selbstauskünfte, S. 56).
Pars pro toto steht diese sogar noch relativ harmlos erscheinende Publikation somit für das Versagen des deutschen Bildungsbürgertums, das dann zwölf Jahre lang, wie Thomas Mann es nannte, „Herrn Urian die Aufwartung machte“ (Mann, Warum ich nicht nach Deutschland zurückgehe, 1945 u. ö.).
Im Bestand der FZH-Bibliothek befinden sich zahlreiche historische Zeitschriften und Zeitungen, darunter eine der ersten deutschen Nachkriegszeitungen: Bereits am 9. Mai 1945 brachte die britische Militärregierung in Hamburg die erste Ausgabe des Hamburger Nachrichten-Blatt heraus, das kostenlos in der Stadt und der Umgebung verteilt wurde. Schon die zweite Ausgabe vom 15. Mai thematisierte – wenn auch noch in Unkenntnis über deren Ausmaß – die von Deutschland ausgehenden Menschheitsverbrechen. Bereits solche frühen Berichte stießen bei nicht wenigen auf sofortige Abwehr. Victor Klemperer befürchtete im Juni 1945 angesichts der „richtigen, unübertriebenen und notwendigen“ Berichte über die Gräuel: „Es wird sehr bald heißen: Sie [die Juden] drängen sich vor, sie rächen sich, die sind die Gewinner: Hitler und Goebbels haben recht gehabt.“ (Klemperer, Eintrag vom 17. Juni 1945, Tagebücher, S. 10). Klemperers Befürchtungen einer Schuldumkehr trafen dann nur zu schnell ein.
Die vorgestellten Publikationen stehen Interessierten in der Bibliothek zur Verfügung. Sie können, wie der gesamte Bestand an Literatur zum Kriegsende, auch als vertiefende Lektüre zur Vortragsreihe „Kriegsende 1945 in Europa. Ereignisse, Erfahrungen, Deutungen“ genutzt werden, die von der FZH in Kooperation mit der Universität Hamburg und dem Institut für die Geschichte der deutschen Juden im aktuellen Sommersemester angeboten wird.
Literatur- und Quellennachweise:
(Hartmut Finkeldey)