Die Winterspiele in Oslo und die Sommerspiele in Helsinki 1952 waren die ersten Olympischen Spiele nach dem Zweiten Weltkrieg, an denen deutsche Sportler:innen wieder antreten durften. Aus sportpolitischen Gründen nahmen jedoch nur westdeutsche Sportler und Sportlerinnen daran teil. Von 1956 bis 1964 gab es dann mitten im Kalten Krieg eine gesamtdeutsche Mannschaft unter neutraler schwarz-rot-goldener Flagge ohne Staatssymbol. 1968 trat erstmals je ein Team aus Ost und West an, ab 1972 schließlich auch mit beiden Flaggen und Hymnen.
Anlässlich der Olympischen Spiele 1952 gab der Informator-Verlag ein zweibändiges Werk für Sammelbilder heraus – quasi ein damaliges „Panini-Album“ mit viel Text. Band 1 enthält einen geschichtlichen Überblick der Olympischen Spiele ab der Antike, Band 2 eine Darstellung der Olympischen Spiele von Oslo und Helsinki 1952. Beide Bände sind ein spannendes, (nicht nur) sportgeschichtliches Dokument. Verantwortlich für die Texte zeichneten der Sportjournalist H.P. Tillenburg und Walter Westum. Insbesondere bei Tillenburg zeigt sich die personelle Kontinuität von NS-Deutschland und Nachkriegszeit, die es auch im Journalismus gab. Tillenburg arbeitete bereits an der offiziösen „Olympia-Zeitung“ von 1936 mit. Diese Kontinuität drückt sich inhaltlich aus; neben viel zeittypischem, unverbindlichem Pathos, mit dem das Völkerverbindende des Sports aufgerufen wird, fokussiert sich der geschichtliche Teil im Band 1 auf verstörende Art auf die Olympischen Spiele von 1936 in Berlin. So lesen wir:
„Der Augenblick, als der letzte Läufer das in festlicher Erwartung harrende Olympiastadion betrat, war der erhebendste der an Höhepunkten gewiß nicht armen Olympischen Spiele in Berlin. Ein großer und stolzer Augenblick war gekommen, die Stunde, wo ein erstaunliches Lebenswerk [des Sportfunktionärs und Gründers des IOC Pierre de Coubertin, H.F.] gekrönt wurde: Die Eröffnung der Spiele erfolgte durch ein Festspiel der Jugend, und durch alle Rundfunkstationen der Welt brauste der gewaltige letzte Satz von Beethovens IX. Symphonie mit Schillers Schlußchor an die Freude.“ [Band 1, S. 60]
Die Eröffnung erfolgte jedoch natürlich nicht „durch ein Festspiel der Jugend“, sondern durch Adolf Hitler. Und selbstverständlich findet sich in der vorliegenden Quelle kein Wort darüber, dass es 1935 und 1936 in westlichen Demokratien eine Debatte gab, ob die Olympischen Spiele in Berlin angesichts der durchaus bekannten Verbrechen NS-Deutschlands boykottiert werden sollten.
Damals wie heute sind die Olympischen Spiele und ihre mediale Vermittlung nicht von den geschichtlichen, sozio-kulturellen und politischen Kontexten zu trennen, in denen sie jeweils stattfinden und wahrgenommen werden.
Quelle
Westum, Walter / Tillenburg, H.P.: Olympia 1952. Aus der Geschichte der Olympischen Spiele, Band 1 und 2, Informator-Verlag Frankfurt/Main, 1952.
(Signatur der FZH-Bibliothek: I KN 29 / 1 + 2)
(Hartmut Finkeldey)